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5. September 2020

Ausflug der Woche: Tour de Frankenwein

Aus: »Weinfranken«

Tour de Frankenwein mit Insidertipps von Frickenhausen bis Volkach

Viele Jahre als Sommelière meines eigenen Restaurants und unzählige private Ausflüge in die spannendsten Weinlandschaften Frankens haben meine Leidenschaft, den Wein, stets vereint. Die Entwicklung des Frankenweins, welche ich dabei in den letzten Jahren miterleben durfte, ist enorm. Das Potenzial ist und war immer da. Großartige Weinlagen vor fast jeder Haustüre, der Fluss, der uns die nötige Reflektion bringt, die Sonne, von der wir hier in Weinfranken so oft und gerne verwöhnt werden, junge Generationen, die sich im elterlichen Weingut einbringen dürfen.

Wichtig auch ist die Zeit, die die Winzer ihren Kindern in den letzten Jahren gaben und geben konnten. Zeit, die Welt zu entdecken, Erfahrungen in anderen Weinbauregionen zu machen. Vertrauen. Aber dennoch auch Freiraum. Das sind Faktoren, die dafür Sorge tragen, dass die fränkische Weinwelt, wie auch die in den umliegenden deutschen Gebieten, wuchs. Nicht in der Fläche, eher in der Qualität. Es sind derart differenzierte Weinbaustile in den Weingütern entstanden, schmeckbare Stile, die es hochgradig spannend machen, sich heute durchs fränkische Weinland zu probieren.

Der Ruf des altbackenen, staubtrockenen, erdigen Frankenweines ist längst überholt. Heute dürfen wir hier filigrane Tropfen genießen, manche mit zartem Fruchtspiel, manche mit deutlich erkennbaren Naturaromen, und so einige gibt es auch, in der die alte Tradition nach wie vor deutlich zu spüren ist: erdig, aber auch sehr tiefsinnig.

Jeder Winzer hat bekanntlich so seine eigene Philosophie. Manche Weine mögen jung getrunken werden, andere wiederum brauchen einfach ihre Zeit. Zeit, die wir ihnen dann auch geben sollten. Alles, was die Tropfen in den Kellern Weinfranken ausmacht, hier zu offenbaren, würde den Rahmen sprengen. Der ein oder andere meiner Tipps soll nun aber dennoch nicht mein Geheimnis bleiben. Genießen Sie, wenn Sie mögen, einen Ausschnitt der Weinwelt Franken von Marktbreit bis Volkach mit meinen Augen.

Diese Tour ist mit dem Auto möglich, aber ebenso auf Radwegen bestens ausgeschildert und machbar. Der Main übt eine besondere Anziehung aus und lässt auf meiner beschriebenen Route auch bequeme, nicht zu langwierige Abstecher zu. Das Weinfrankenland ist groß, und es gäbe noch viele Regionen, in denen sich eine ähnliche Tour planen ließe. Ganz sicher ist jedes Weingut in Franken eine Reise wert. Und wo guter Wein wächst, ist oft auch feine Kulinarik nicht weit. Fast jeder Ort hat ein gutes Gasthaus. Wer guten Wein macht, weiß auch gutes Essen zu schätzen. Fragen Sie die Winzer nach ihren kulinarischen Geheimtipps. In den Weinorten bieten zudem zertifizierte Gästeführer Weinerlebnis Franken (zu denen auch meine Autorenkollegin Nicole Dietrich gehört) ihre Touren an und zeigen Ihnen die schönsten (und vielleicht auch noch unentdeckte) Stellen in der Weinlandschaft. Sommeliers wissen in Gourmetrestaurants ihre persönlichen Geheimnisse auszuplaudern. Fast alle fränkischen Weingüter laden das ganze Jahr über zum Verkosten ein. Natürlich kann man spontan sein, aber eine Anmeldung zur Weindegustation sieht der Winzer auch gerne. Schließlich ist sein Arbeitsplatz der Weinberg, den er für interessierte Kunden und eine gemeinsame Weinprobe aber auch verlässt. Ob Sie einen Tagesausflug als Weineinkaufstour, Gasthaus-Hopping oder einfach nur zum Kennenlernen der fränkischen Weinberge wählen – Sie haben einige Möglichkeiten, oder eben die Qual der Wahl.

Beginnen wir die Tour am Südzipfel des Maindreieckes. Frickenhausen, ein hübsches Dörfchen mit Kopfsteinpflastergassen und seinem über ihm thronenden Aushängeschild, dem Kapellenberg. Im Weingut Bickel-Stumpf werden für mich mit die rebsortentypischsten Silvaner produziert. Silvaner, die auch nach Silvaner schmecken. Geschmeidig, zurückhaltend, ohne zu stark hervorspringende Fruchtnuancen. Dafür mit Tiefsinn und Nachhaltigkeit. Spannenderweise wachsen die Weine der Familie Stumpf in Thüngersheim auf Buntsandstein und in Frickenhausen auf Muschelkalk. Nennen wir es einfach eine gelungene Ausnutzung des Lagenpotenzials nach der vor langer Zeit geschehenen Vermählung zweier Weingüter. Vielleicht plaudern Sie mit der Winzerfamilie ein wenig darüber?

Ab vom Main führt uns der Weg nun nach Iphofen. Der Ort, den rundherum gleich mehrere weltberühmte Lagen säumen. Der Julius-Echter-Berg, der Kronsberg und der Kalb wirken, als würden sie direkt aus dem kleinen, wie verwunschen wirkenden Ort emporwachsen. Inmitten des Ortskerns zieht es mich ins Weingut Johann Ruck. Die Ruck-Weine sind etwas ganz Besonderes für mich. Schwer in treffende Worte zu fassen, wenn man sie noch nie probiert hat. Äußerst tiefsinnig sind sie, und unglaublich viel Struktur steckt in jedem einzelnen. Erst nach Jahren erlangen sie ihre volle Trinkreife. So manch schönes Tröpfchen schlummert noch in meinem Keller und wartet auf den richtigen Moment. Weißweine, egal ob Silvaner, Sauvignon Blanc oder Burgunder.

Folgen wir dem Schwanberg, an dessen Fuß sich die Rebzeilen reihen, gelangen wir nach Wiesenbronn. Sein Weinberg, der Wachhügel, gilt als kleiner Geheimtipp für Rotweine. Gerhard Roth, vom gleichnamigen Weingut, ist der stille Pionier der roten Rebentropfen. Von Blaufränkisch über Spätburgunder bis zur Domina macht er im Maindreieck die interessantesten Rotweine, schon seit über vierzig Jahren vom Naturgedanken getragen. Auf unscheinbar wirkenden Hängen wachsen seine ökologisch ausgebauten Weine, die hier offenbar besondere Bedingungen finden.

Das zauberhafte Castell liegt nun vor uns. Trotz seiner Anziehungskraft biegen wir ab in den Ortsteil Greuth. Es wird sich lohnen. Harald Brügel und seinem kleinen Weingut möchte ich gern mein persönliches »Geheimtipp-Siegel« aufdrücken. Ein »alter Newcomer« mit viel Charme und Herz. Mit ihm zu probieren macht mir stets große Freude. Frisch, unkompliziert, aber auch mal tiefsinnig gibt er sich – wie seine Weine auch. Er experimentiert, hält aber zeitgleich der fränkischen Tradition die Stange. Harald Brügel schafft es, Müller-Thurgau in die Flasche zu bringen, die mich begeistern. Sein Muskateller sucht seinesgleichen, und die Silvaner sind ebenso achtenswert. Besonders die Weine, die schon ein paar Jahre im Keller liegen durften, bringen eine Tiefsinnigkeit mit sich, die mir besonders zu einem gehaltvollen Menü Freude macht. Probieren Sie es aus!

So langsam führt uns der Weg an die Mainschleife. Nordheim ist das nächste Ziel. Angekommen im schönen Gewölbekeller des Weingutes Waldemar Braun macht sich Wohlempfinden breit. Herzlichst aufgenommen, gerade so, als sei man hier zu Hause, verkoste ich sortenreine, echt-fränkisch trockene Silvaner und Rieslinge, Weiß- und Grauburgunder. Glasklar, ehrlich … einfach immer wieder ein Genuss. Hier finde ich neben guten Alltagsweinen auch angenehme Essenbegleiter (und habe beim Probieren der gereiften Weine schon gedanklich einen guten Käse dazu serviert). Ein spitzenmäßiger Scheurebensekt, der mir nicht nur als Aperitif gefällt, krönt die Verkostung. Schräg gegenüber erwartet mich Familie Glaser im Weingut
Glaser-Himmelstoss. Jetzt wird es spannend. Anspruchsvolle Weine, die die Gedanken anregen – und ihre Zeit brauchen, finden den Weg ins Glas. Die Grau- und Weißburgunder gefallen mir besonders. Hier lohnt es sich, Weine zu erwerben, die anschließend das ein oder andere Jahr im eigenen Keller lagern. Jedes Jahr dann ein Fläschchen geöffnet, wird der Wein mehr als nur spannende Veränderungen aufweisen.

Escherndorf – tausendfach beschrieben, millionenfach gelobt. Der Escherndorfer Lump ist und bleibt für mich die beste Lage Weinfrankens: ein grandioser Blick, egal ob ich am Fuße stehe, die Hänge hinaufsehe oder vom Schopf aus unten den Altmain erblicke. Die Lage ist aber nicht nur traumhaft schön anzusehen. Die klimatischen Bedingungen ermöglichen hier höchste Garantie für großartige Tropfen. Es begeistert mich immer wieder aufs Neue, wie viel Wärme dieser Weinberg speichert – und wie er mich diese auch spüren lässt, wenn ich auf seiner Höhe entlangwandere. Die Qualität der Winzer in Escherndorf zu beschreiben, fiele mir nicht schwer, jedem gerecht zu werden, würde mir bei der Vielzahl an großartigen Weingütern aber sicherlich nicht gelingen. So mag und muss ich mich auf einen einzigen Tipp beschränken. (Liebe Winzer, verzeiht! Ich liebe euer Dörfchen, sehne mich nach der Zeit, in der ich in ihm wohnen und in meinem eigenen Restaurant wirken durfte, weiß eure Qualitäten mehr als nur zu schätzen …) Das Weingut Clemens Fröhlich in der (schon legendär klingenden) Bocksbeutelstraße ist meine Empfehlung abseits der weit bekannteren Weingüter in Escherndorf. Die Weine sind stark geprägt vom griffigen Boden der Lagen Lump und Fürstenberg. Seltenheiten wie Morio-Muskat und Ortega finden den Weg in die Weinflasche. Die Rebsorten authentisch, der Ausbaustil fränkisch, ohne altbacken zu sein. Kurz um, es sind Spaß machende Alltagsweine mit dem typischen, aber nicht staubigen Charakter des Frankenweins.

Unser Ziel ist erreicht: Volkach, das Heim vieler Winzerbetriebe. Der Ratsherr als Spitzenlage schmiegt sich an den Main. Die Weinbergskirche in den Rebhängen ist ein Publikumsmagnet. Und die Altstadt gehört zu den schönsten im Frankenland. Einer hat es hier ganz besonders verstanden, den Aufschwung auch Aufschwung werden zu lassen. Inmitten der Altstadt verbirgt sich in einem imposanten Fachwerkhaus das Weingut Max Müller I. Alles, was ich dort verkoste, ist wunderbar trinkschön – vom »einfachen« Literwein bis hin zum geschmeidigen Rotwein. Hier ohne ein Kistchen abgereist zu sein, ist schon fast eine Sünde. Nun neigt sich meine erste Tour de Frankenwein dem Ende entgegen. Große Lust steigt in mir auf, die nächste Region in Angriff zu nehmen und zu Papier zu bringen. Den Steigerwald mit seinen innovativen Winzern etwa finden Sie in Auszügen in der Wandertour zum ältesten Rebstock Deutschlands und der Weinfranken-Architektur-Tour. Die westliche Frankenweinregion um Bürgstadt ist in der Main-Wein-Fachwerk-Tour beschrieben. Nördlich von Würzburg bietet Ihnen die Geheimtipp-Tour im ZweiUferland ebenfalls feine Winzertipps. Und auch am Weinparadiesweg rund um Hüttenheim ist ein Geheimtipp-Weingut vertreten.

Text: Antje Schmelke-Sachs


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